Der "Herbst der Reformen" und die Feier des Erntedankfestes …
- 4. Okt.
- 14 Min. Lesezeit
Gottesdienst am 5. Oktober 2025 mit einer Predigt über 5. Mose 8, 10ff im Martin-Luther-Haus in Staufen

Begrüßung & Einstimmung
„Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter“: Mit diesem Psalmwort möchte ich Sie alle ganz herzlich begrüßen! Zum Erntedankfest gehört auch das Staunen über die Vielfalt der Natur und die Größe Gottes. Das wollen wir heute gemeinsam tun. Schön, dass Sie alle mit dabei sind! –
Vor kurzem hat mir eine ältere Dame mit leidendem Blick erzählt, dass sie nachmittags zum Zahnarzt müsse. Es sei leider ein längerer Termin auf dem Behandlungsstuhl zu befürchten. Ich versuchte mein Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen, fügte dann aber scherzhaft an: „Na ja, wenn es keine Zahnärzte gäbe, müssten wir alle irgendwann zum Dorfschmied, der die Zähne dann mit der Beißzange herauszieht!“
War vielleicht ein bisschen frech, diese Antwort. Die Dame lächelte aber freundlich und meinte: „Da haben Sie natürlich recht!“ Ein paar Tage später schaue ich in meinen Terminkalender und stelle mit Schrecken fest: Ich musste selber zum Zahnarzt. Bei der Terminvereinbarung hatte man mir angekündigt, dass ich eine Stunde einplanen soll und dass wohl auch gebohrt werden müsse!
„Jetzt musst du ganz stark sein“, dachte ich: „Aber wenn du anderen gutgemeinte Ratschläge gibst, darfst du selber auch nicht so weinerlich sein ...“ 😊
Wenn es keine Zahnärzte gäbe, müssten wir alle irgendwann zum Dorfschmied, der die schmerzenden Zähne dann mit der Beißzange herauszieht: Was hat das mit dem Erntedankfest zu tun? Ich glaube, wir verlieren in unserer Zeit ganz schnell aus den Augen, wie gut es uns eigentlich geht. Da hilft es manchmal, unsere Beschwerden richtig einzuordnen. Natürlich werde ich niemand, dem es richtig schlecht geht, mit dem Argument kommen, dass es den Menschen in Afrika noch viel schlechter gehe. Aber die viel zitierte Unzufriedenheit der Deutschen ist manchmal auch ein bisschen wehleidig.
Da kann es heilsam sein, unseren Wohlstand und unsere Beschwerden richtig einzuordnen: Ernst nehmen, was wirklich schlimm ist. Aber auch das Schöne und Angenehme nicht aus den Augen verlieren. Ich würde mich freuen, wenn dieser Gottesdienst dazu dienen würde!
Gebet & Zuspruch
Allmächtiger, ewiger Gott, wir haben so vieles, was unser Leben schön macht. Aber oft nehmen wir das alles für selbstverständlich und vergessen es, dir zu danken.
Wir haben in unserem Land von vielen Dingen weit mehr als genug. Aber vor lauter Überfluss haben wir oft das Staunen verlernt.
Wir bitten dich, hilf uns beides wieder zu lernen: Das Danken aus tiefstem Herzen. Und das Staunen, wie nur kleine Kinder es vermögen.
Wir danken dir für den Duft von frisch gebackenem Brot. Wir danken dir für den Duft von heißem Kaffee, der sich morgens durch die ganze Wohnung verbreitet
Wir danken dir, dass es nicht nur eine Obstsorte und nicht nur ein einziges Gemüse gibt, sondern so viele unterschiedliche Farben, Geschmäcker und Nuancen.
Wir danken dir für die Schönheit eines Sonnenuntergangs und für den Glanz eines erwachenden Tages. Wir danken dir für den klaren Sternenhimmel und für die erhabene Stimmung einer hellen Vollmondnacht.
Wir danken dir für die vielfältigen Gaben und Talenten, die du jedem von uns geschenkt hast. Und wir danken dir für das kostbare Geschenk einer erfüllenden Gemeinschaft.
Wir bitten dich: Öffne unsere Augen, damit wir die wahren Schätze unseres Lebens erkennen. Schärfe unseren Blick für das Wertvolle in unserem Leben. Und für das Wesentliche.
Herr, erbarme dich!
Hört den Zuspruch der Gnade Gottes:
Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster. Des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen. Denn du lässt mich fröhlich singen von deinen Werken, und ich rühme die Taten deiner Hände. Amen. (Psalm 92)
Schriftlesung: Jesaja 58
Gott sagt zu seinem Volk: 7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. 9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: „Siehe, hier bin ich.“
Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, 10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.
11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.
Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Treue, so weit die Wolken gehen. Halleluja!
Predigt über 5. Mose 8
Als Predigttext für das Erntedankfest hören wir einen Abschnitt aus dem 5. Buch Mose im Alten Testament. Es ist ein Teil der großen Abschiedsrede von Mose an sein Volk:
6 So halte nun die Gebote des HERRN, deines Gottes, dass du in seinen Wegen wandelst und ihm mit Ehrfurcht begegnest. 7 Denn der HERR, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Brunnen und Seen sind, die an den Bergen und in den Auen fließen, 8 ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, 9 ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust.
10 Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. 11 So hüte dich nun davor, den HERRN, deinen Gott, zu vergessen, so dass du seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, nicht hältst.
12 Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst 13 und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, 14 dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Sklaverei.
Liebe Gemeinde, in Rotenburg an der Wümme östlich von Bremen hatte der dortige Pfarrer einen Kollegen aus dem südlichen Afrika zu Besuch. Was den Gast dabei am meisten beeindruckt hat, war die blühende Landschaft: Überall sattes Grün. Bunte Gärten. Saftige Weiden. Fruchtbares Land, soweit das Auge reichte.
Als der Pfarrer mit seinem Gast in Rotenburg über die Wümme fuhr – ein kleines Flüsschen, das außerhalb von Rotenburg vermutlich kaum einer kennt, fragte der Gast aus Afrika: „Ist das jetzt der Rhein?“ Für ihn war klar: Ein so wasserreicher Fluss kann nur einer der berühmten deutschen Ströme sein.
Liebe Gemeinde, manchmal braucht es den Blick eines Fremden, um daran erinnert zu werden, wie gut es den meisten von uns geht: Jener Gast kam aus dem Steppenland Südafrikas. Die dominierende Farbe in seinem Heimatland war nicht grün, sondern gelb: verdorrtes Gras, ausgetrocknete Steppe. Da kamen ihm die satten Farben in Rotenburg wie das reine Paradies vor.
Ähnlich begeistert war auch das Volk Israel, als es nach der langen Wüstenwanderung endlich im verheißenen Land ankam. Genau das hatten sie sich jahrelang gewünscht: ein Land, in dem Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, wo es Ölbäume und Honig gibt und Brot genug zu essen. Jetzt hatte sich dieser Wunsch endlich erfüllt.
Das Problem war nur, dass sie sich sehr sehr schnell an diese paradiesischen Zustände gewöhnten. Und das geht uns ja auch nicht anders: Man gewöhnt sich furchtbar schnell an den Wohlstand, in dem wir leben: An die sichere, unkündbare Arbeitsstelle. An das neue Haus, auf das man jahrelang gespart hat. An die medizinische Versorgung. Und so weiter. Und plötzlich fängt man an über Kleinigkeiten zu klagen, obwohl es einem im Grunde ziemlich gut geht.
Natürlich weiß ich auch, dass es wenig bringt, über das Jammern der Menschen zu jammern. Aber vielleicht helfen uns gerade solche Menschen mit einer „Wüstenperspektive“, dass wir nicht vergessen, was wir alles haben und genießen dürfen.
Als im November 1989 die Menschen aus der ehemaligen DDR in den Westen kamen und zum ersten Mal in einem Supermarkt standen, waren viele völlig geplättet: Nicht nur eine Standard-Sorte an Wurst, Käse oder Margarine. Sondern von allem gleich zehn unterschiedliche Sorten. Das war wie im Paradies!
Ähnlich die Menschen, die in den letzten Jahren als Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Ich kann mich an eine Dokumentation im Fernsehen erinnern über eine syrische Familie: Sie konnten zu Beginn des syrischen Bürgerkrieges gerade noch rechtzeitig aus Aleppo fliehen konnte. Als sie nach einer langen Reise im hessischen Goslar angekommen waren, konnten es die Kinder kaum fassen, dass man ohne Angst zum Spielen nach draußen gehen konnte. Dass die Flugzeuge keine Bomben abwarfen. Dass man keine Heckenschützen oder Raketen befürchten musste. Für uns ist das eine Selbstverständlichkeit: Für jene Kinder war es das Paradies.
Manchmal braucht es den Blick eines Fremden, um daran erinnert zu werden, wie gut es den meisten von uns in Wirklichkeit geht. –

Erntedankalter 2025, gestaltet von Frieda Gretzmaier (siehe auch das Titelbild)
Bei einem Live-Interview in der Tagesschau bedankt sich die Moderatorin beim Reporter vor Ort meistens mit den Worten: „Wir danken Journalist xy für diese Einordnungen.“ Oder: „Der Experte xy hat diese Fragen für uns eingeordnet.“
Ich weiß nicht, ob sie das in solchen Interviews immer schon sagten. Mir fiel es in den letzten Wochen jedenfalls auf. Und ich glaube, dieses „Einordnen“ könnte der Schlüssel sein, um in rechter Weise Erntedank zu feiern: Wir sollten unsere Sorgen und Problemen auf der einen Seite in unseren Wohlstand, aber auch in die Not vieler Menschen dieser Welt einordnen.
Unsere Bundesregierung beschwört seit Wochen den „Herbst der Reformen“. Das ungemütliche und regnerische Wetter haben wir ja schon … 😊 Ich fürchte, wir werden auch in unserer Gesellschaft mit ungemütlichen Entscheidungen rechnen müssen.
Doch auf jeden Vorschlag der Regierung folgt sofort der Aufschrei der Lobbygruppen: „Unzumutbar!“ „Ungerecht!“ „Kahlschlag des Sozialstaates!“ Und so weiter. Wirklich hilfreich und konstruktiv ist das selten. Denn eigentlich sollte jedem klar sein, dass wir in Zukunft in einigen Bereichen mit Einschnitten leben müssen: Ja, wir können vielleicht nicht mehr so oft essen gehen. Ja, wir können vielleicht nicht mehr so viele Fernreisen machen. Ja, wir müssen im Gesundheitswesen mehr als bisher selber bezahlen. Ja, die Wohlhabenden müssen mit höheren Steuern rechnen. Und so weiter.
Aber das ist doch nicht der Untergang des Abendlandes. Es muss gerecht zugehen, das wäre für mich das Kriterium. Der „Herbst der Reformen“ müsste die Schwächeren schützen und den Leistungsstärkeren etwas mehr als den andern zumuten, weil sie mehr leisten und mehr tragen können.
Ich wünsche mir deshalb vor allem eines: dass die Lobbyisten-Verbände in den kommenden Monaten gerade nicht mit Lautstärke, sondern mit klugen Kompromissvorschlägen punkten. Das würde uns am Ende wirklich weiterbringen. Mehr als alle reißerischen Schlagzeilen.
Nicht alles, was sich die Politiker ausdenken, muss gleich der Weisheit letzter Schluss sein. Darüber kann man diskutieren. Und an diesem öffentlichen Diskurs darf sich jeder beteiligen. Auch die Kirchen. Auch wir Christen.
Aber es sollte nicht so sehr um Besitzstandswahrung gehen, sondern um die besseren Ideen. Und zwar solche, die wirklich realistisch sind und nicht nur schön klingen. Das könnte der Schlüssel sein – gerade heute am Erntedankfest: Unseren Wohlstand, aber auch unsere Sorgen und Probleme richtig einordnen. In den richtigen Bezugsrahmen stellen.
Unser Bundeskanzler hat sich in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit „Zuversicht und Tatkraft“ von den Bürgern gewünscht. Genau diese Tatkraft habe ich dieser Tage aus einem der ärmsten Länder dieser Welt gehört:
Zu den diesjährigen Trägern des Alternativen Nobelpreises gehört das Projekt „Emergency Response Rooms“ aus dem Sudan: es ist Netzwerk von Einheimischen. Die Organisatoren des Preises begründen ihre Entscheidung so: Weil dieses Netzwerk inmitten von Krieg und Staatszerfall gemeinschaftliche Nothilfe für die würdevolle Versorgung von Millionen von Menschen aufbauen. Wo viele internationale Organisationen wegen des schrecklichen Bürgerkrieges oft nicht mehr hinkommen, leisten diese „Emergency Response Rooms“ (ERRs) medizinische Versorgung, verteilen Lebensmittel, bieten Bildung, Schutz und psychosoziale Unterstützung.
Das nenne ich Zuversicht und Tatkraft unter widrigsten Umständen! Das macht unsere eigenen Sorgen und Probleme nicht automatisch kleiner. Aber wir können sie im globalen Rahmen besser einordnen.

Weitere Informationen: https://www.diakonie-katastrophenhilfe.de/pressemeldung/alternativer-nobelpreis-geht-an-partner-der-diakonie-katastrophenhilfe-im-sudan Oder: https://taz.de/Alternativer-Nobelpreis/!6117276/
Liebe Gemeinde, Erntedank umfasst viel viel mehr als nur der Dank für Tomaten und Äpfel, Kartoffeln und Getreide. Es ist erwiesen, dass Menschen mit einer dankbaren Grundhaltung glücklicher sind als andere: Wer bewusst lebt und nicht alles so selbstverständlich nimmt, lebt zufriedener und gelassener. Manche sagen auch: gesünder.
Unser Bibeltext geht an dieser Stelle aber noch ein Stück weiter: 10 Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat.
An diesem Satz bin ich hängen geblieben: Warum heißt es nicht schlicht: „Sollst du deinem Gott danken?“ Reicht das etwa nicht? Und überhaupt: Was ist das für ein Gott, der ständig gelobt werden möchte? Und der das auch noch als Pflicht formuliert: „... sollst du mich loben!“?
Stellen Sie sich eine Mutter vor, die ihrem Siebenjährigen einen wunderschönen Kindergeburtstag gestaltet. Am Abend vorher schärft sie ihm ein: „Hör zu, Morgen ist dein großer Tag. Ich habe wunderbare Dinge für dich vorbereitet. Aber wenn alles geklappt hat, dann sollst du deine Mutter auch kräftig loben. Und du sollst sagen: Was habe ich nur für eine tolle Mutter!“
Ich glaube, wir sind uns einig: Das klingt nicht nur merkwürdig. Eine solche Mutter hat von Erziehung noch nicht viel verstanden. Deshalb ist die Frage erlaubt: Was ist das für ein merkwürdiger Gott, der immerzu gelobt werden möchte?
Im Alemannischen gibt es für Menschen, die ständig gelobt werden möchten, ein interessantes Wort: „ehrekäsig“. Das ist einer, der nie genug gelobt werden kann. Der penibel darauf achtet, dass seine Leistungen ins rechte Licht gerückt werden. Der seine Ehrsucht so offen zur Schau trägt, dass man sie förmlich riechen kann – von daher wohl die Verbindung zum stinkenden Käse.
Aber soll das für Gott zutreffen? Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben?
Beim Taufgespräch mit einem konfessionsverschiedenen Elternpaar sagte mir die katholische Mutter einmal: „Ich möchte, dass unser Kind evangelisch getauft wird: Ich möchte ihm das viele Knien ersparen!“ Ich habe geschmunzelt und ihr dann erklärt, dass das so falsch gar nicht sei. Es mag zwar etwas unangenehm sein, im katholischen Gottesdienst minutenlang knien zu müssen, aber die Haltung, die damit zum Ausdruck kommt, sei doch etwas Wunderbares. Und etwas zutiefst Christliches.
Erstaunlicherweise kommt dieses Niederknien vor Gott auch in unserem Predigttext vor – besser gesagt: Das Gegenteil davon: Das Gegenteil vom Niederknien. Mose sagt zu seinem Volk: 12 Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst 13 und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, 14 dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt. Im Hebräischen steht an dieser Stelle ein Wort, das wir alle kennen: „sich groß machen“: „Hüte dich davor, dich selber groß zu machen.“ „Du sollst nicht hochmütig werden“, haben es andere übersetzt.
Warum diese Haltung gefährlich ist, das wird wenige Verse nach unserem Predigttext noch deutlicher beschrieben: „Du könntest sonst sagen in deinem Herzen – wenn du dich selber groß machst und derart in den Mittelpunkt stellst: Meine Kräfte und die Stärke meiner Hände haben mir diesen Reichtum gewonnen. Gedenke vielmehr an den Herrn, deinen Gott; denn er ist es doch, der dir Kräfte gibt.“ (17f)
Eine bemerkenswerte Kombination: Sich selber groß zu machen, führt oft dazu, dass Gott immer mehr aus dem Blick gerät. Wenn wir heute diesen festlichen Gottesdienst feiern und unseren Gott bewusst in den Mittelpunkt stellen, dann tun wir im Grunde ganz aktiv etwas gegen diese Vergesslichkeit.
Und deshalb ist die Aufforderung zum Lob Gottes noch einmal etwas anderes als lediglich die Aufforderung zum Danken: Das Danken ist zwar mit dem Loben verwandt, es ist aber nicht das gleiche. Das Danken hat stärker die Gabe im Blick, die Gott uns geschenkt hat: „Danke für die Ernte! Danke für die guten Noten! Danke für die Gesundheit! Danke für meine Lebenskraft! Danke für die Menschen an meiner Seite!“
Das Danken schaut vor allem auf die Gaben selbst, die Gott uns geschenkt. Das Loben dagegen nimmt ganz gezielt denjenigen in den Blick, von dem all diese guten Dinge kommen.
Beim Loben schauen wir nicht so sehr auf den Erntedankaltar, sondern durch den bunt geschmückten Gabentisch auf den Gott, der dafür gesorgt hat, dass wir überhaupt einen Erntedankaltar schmücken können. Beim Loben schauen wir weg von uns selbst – hin zu unserem wunderbaren Gott.
Und dann passiert etwas ganz Erstaunliches: Beim Loben gehen wir unwillkürlich auf die Knie – zumindest in Gedanken. Uns wird bewusst, dass auch unsere größte Leistung ohne den Segen Gottes gar nicht möglich wäre.
Natürlich haben wir das Haus gebaut oder das Computerprogramm entwickelt oder den tollen Aufsatz geschrieben. Aber es war Gott, der uns die Begabungen dazu geschenkt hat.
Natürlich haben wir uns durch Fleiß und Strebsamkeit in der Firma hochgearbeitet. Aber es war Gott, der dafür gesorgt hat, dass wir im rechten Augenblick an der richtigen Stelle waren.
Natürlich haben wir die Familie zusammengehalten und uns als Mutter vielleicht ein Leben lang für unsere Lieben aufgeopfert. Aber es war Gottes Geschenk an uns, dass wir überhaupt Kinder haben durften und immer wieder auch die nötige Kraft.
Das, was jene katholische Mutter ihrem Kind bei den Evangelischen eigentlich ersparen wollte, das passiert, wenn wir Gott loben: Wir werden selber immer kleiner und immer bescheidener. Weil wir merken, dass letzten Endes alles von Gott kommt. Dass alles sein Geschenk ist.
Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben: Hat Gott es wirklich nötig, dass er um Lob und Anerkennung heischen muss? Nein, natürlich nicht!
Gott braucht unser Lob nicht. Gott braucht keine Streicheleinheiten, damit er sich gut fühlt. Wir tun uns selber etwas Gutes, wenn wir Gott in den Mittelpunkt stellen. Das beste Rezept, selber nicht allzu „ehrekäsig“ zu werden, ist das Lob Gottes.
Ich freue mich darüber, dass wir das heute gemeinsam tun dürfen: Gott groß zu machen – vor allen Leuten! Amen.

Lied EG 506 von Christian Fürchtegott Gellert
1) Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht, die Weisheit deiner Wege, die Liebe, die für alle wacht,anbetend überlege, so weiß ich, von Bewundrung voll, nicht, wie ich dich erheben soll, mein Gott, mein Herr und Vater.
2) Mein Auge sieht, wohin es blickt, die Wunder deiner Werke; der Himmel, prächtig ausgeschmückt, preist dich, du Gott der Stärke. Wer hat die Sonn an ihm erhöht? Wer kleidet sie mit Majestät? Wer ruft dem Heer der Sterne?
3) Wer misst dem Winde seinen Lauf? Wer heißt die Himmel regnen? Wer schließt den Schoß der Erde auf,mit Vorrat uns zu segnen? O Gott der Macht und Herrlichkeit, Gott, deine Güte reicht so weit, so weit die Wolken reichen.
4) Dich predigt Sonnenschein und Sturm dich preist der Sand am Meere. Bringt, ruft auch der geringste Wurm, bringt meinem Schöpfer Ehre! Mich, ruft der Baum in seiner Pracht, mich, ruft die Saat, hat Gott gemacht; bringt unserm Schöpfer Ehre!
5) Der Mensch, ein Leib, den deine Hand so wunderbar bereitet, der Mensch, ein Geist, den sein Verstand dich zu erkennen leitet: der Mensch, der Schöpfung Ruhm und Preis, ist sich ein täglicher Beweis von deiner Güt und Größe.
6) Erheb ihn ewig, o mein Geist, erhebe seinen Namen; Gott unser Vater sei gepreist, und alle Welt sag Amen, und alle Welt fürcht ihren Herrn und hoff auf ihn und dien ihm gern. Wer wollte Gott nicht dienen?
Fürbittengebet & Vater Unser
Vater im Himmel, den meisten von uns geht es gut: Wir haben alles, was wir zum Leben brauchen. Wir haben unseren Beruf, unser Auskommen, unsere Absicherung. Wir möchten dir so gerne danken – und doch fällt uns der Dank oft schwer, wenn wir die vielfältige Not dieser Welt sehen.
Wir bitten dich heute besonders für diejenigen, die aus ihren Problemen einfach nicht herauskommen; für alle, die am Monatsende nicht wissen, wovon sie leben sollen; für alle, die auf der Straße leben, weil sie aus ihrer Wohnung geflogen sind.
Hilf uns, dass wir die Augen nicht verschließen, sondern genau hinschauen. Und zeige uns, wie wir Dinge verändern können.
Vater im Himmel, wir möchten dir so gerne danken – aber manches erfüllt uns auch in unserem Land mit großer Sorge: Schenke uns einen klaren Blick für solche Dinge, die wir ändern müssen. Und schenke uns dann auch den Mut, uns diesen Herausforderungen zu stellen.
Mach uns bereit, kürzer zu treten, wenn es nötig ist. Mach uns bereit, uns einzuschränken – und das nicht nur von den andern zu erwarten.
Segne den politischen Diskurs um die besten Lösungen unserer Probleme. Und wehre denen, die nur große Töne spucken und sich den nötigen Veränderungen letztlich verweigern.
Vater im Himmel, wir haben so viel Grund zu danken. Aber was ist mit den Menschen in den armen Ländern, deren Äcker ständig von Dürre bedroht sind?
Was ist mit denen, die ihre Felder nicht bestellen können, weil ständig Bürgerkrieg ist?
Was ist mit denen, die in ihrer Heimat kein Auskommen mehr haben und deshalb auf der Flucht sind?
Herr, öffne uns die Augen dafür, dass es keiner von uns verdient hat, dass gerade wir im reichen Deutschland wohnen.
Öffne unsere Herzen, dass wir nicht alles immer nur für uns haben wollen, sondern bereit werden zum Teilen.
Gemeinsam beten wir mit den Worten Jesu: Vater Unser im Himmel …
Liebe Leserinnen, liebe Leser, wenn Sie diese Gedanken als hilfreich empfunden haben, können Sie den Text gerne mit Freunden oder Bekannten "teilen". Wenn Sie Fragen zum Thema haben oder ein seelsorgerliches Gespräch wünschen, dürfen Sie gerne mit mir Kontakt aufnehmen.
Gott segne Sie! Ihr Theo Breisacher, Pfarrer in Staufen und Münstertal









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