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Glauben heißt: Sich ins Netzwerk der Liebes Gottes einloggen

  • 14. Apr.
  • 13 Min. Lesezeit

Gottesdienst mit Taufe am 13. April 2025 im Martin-Luther-Haus in Staufen über den Taufspruch aus 1. Korinther 13, 8: "Die Liebe hört niemals auf".


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Quelle: Adobe Stock


Begrüßung & Einstimmung 


Einen wunderschönen guten Morgen! Ich möchte Sie alle ganz herzlich zu diesem Gottesdienst begrüßen! Ein besonderer Gruß gilt heute der Tauffamilie, deren Tochter in diesem Gottesdienst getauft werden soll.

 

Seit längerer Zeit feiern wir wieder einmal eine Taufe im Gemeindegottesdienst. Damit kommt zum Ausdruck, dass wir als Christen nicht alleine unterwegs sind. Durch die Taufe werden wir Teil einer großen Gemeinde. Umgekehrt übernimmt eine Gemeinde Verantwortung für die getauften Kinder, damit diese den Glauben kennen­lernen können. Dazu passt das erste Lied, das wir heute singen möchten: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt …“

  

Gebet & Zuspruch


Allmächtiger, ewiger Gott, wir alle sehnen uns danach, geliebt zu werden ohne jede Vorbedingung.

 

Wir möchten gesehen und beachtet werden, wir sehnen uns nach Bestätigung und Aner­kennung, aber so oft bleibt diese Sehnsucht nach einer tiefen Liebe unerfüllt.

 

Wir versprechen gerne, dass unsere Liebe kein Ende haben wird. Aber im Trubel des Alltags geht dieser Liebe dann oft schnell der Atem aus.

 

Für uns selber fordern wir gerne grenzenlose Liebe, aber oft sind wir nicht bereit, diese gleiche Liebe auch unseren Mitmenschen zu schenken.

 

Vater im Himmel, hilf uns doch, dass es nicht bei den schönen Worten bleibt, sondern wir Liebe auch erleben und erfahren können.

 

Hilf, dass wir auch von deiner Liebe nicht nur hören, sondern sie ganz tief im Herzen spüren. Herr, erbarme dich!

 

 

Hört den Zuspruch der Gnade Gottes:

 

Gottes Liebe zu uns ist für alle sichtbar geworden, als er seinen einzigen Sohn in die Welt sandte, damit wir durch ihn leben können. Gott ist Liebe, und wer in dieser Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. Amen.            1. Johannesbrief 4

  

Taufansprache: 1. Korinther 13, 8


Liebe Tauffamilie, nachher bei der Taufe werden wir – wie immer bei einer Taufe – die Worte sprechen: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“  

 

Das ist allerdings nur ein Teil dessen, wozu uns Jesus beauftragt hat: Denn Jesus sagt in Matthäus 28: „Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch befohlen habe.

 

Das ist eine seltsame Formulierung: „Tauft sie auf den Namen des Vaters …“. Wenn wir ein Kind „im Namen“ des dreieini­gen Gottes taufen, dann ist das natürlich nicht falsch: Denn „im Namen“ heißt: Im Auftrag Gottes. Und das ist völlig richtig: Denn Jesus hat seinen Jüngern dazu den Auftrag gegeben.

 

Aber mit dieser Formulierung „tauft sie auf den Namen“ ist noch etwas anderes gemeint: Denn der Name Gottes meint in der Bibel die Gegen­wart Gottes. Man kann auch sagen: den Wir­kungsbereich Gottes. Oder den Herrschafts­bereich Gottes.

 

Und das hat für uns Christen eine ganz tiefe Bedeutung: Wenn wir ein Kind taufen, dann sprechen wir ihm nicht einfach den Segen Gottes zu. Das auch. Selbstverständlich. Aber mit der Taufe stellen wir den Täufling zugleich ganz bewusst in den Wirkungsbereich Gottes. Wir stellen das Kind – im übertragenen Sinn – in einen großen umzäunten Garten. In einen großen Schutzraum. Wir bringen den Täufling in die Nähe Gottes und in die Gemeinschaft mit ihm.

 

Wir bringen zum Ausdruck: Dieses Kind soll zu Gott gehören. Wir wollen, dass dieses Kind im Wirkungsbereich Gottes lebt und Gottes Segen und seine Kraft immer wieder spüren kann.

 

Und jetzt kommt der Taufspruch ins Spiel: Es ist ein Wort des Apostels Paulus aus dem 1. Korintherbrief: „Die Liebe hört niemals auf.“  

 

Ob das auch für die mensch­liche Liebe gilt, da werden wir nachher noch darüber sprechen. Aber für Gottes Liebe gilt das ohne jede Einschrän­kung: Gottes Liebe zu uns Menschen hört niemals auf.

 

Deshalb geschieht mit der Taufe etwas ganz Wunderbares: Wir stellen ein Kind in den Schutzraum der Liebe Gottes. Mit der Taufe gibt Gott dem Täufling das Versprechen: „Meine Liebe wird dich begleiten, egal was passieren wird. Ich werde dich segnen und dir eine gute Richtung zeigen für deinen Weg. Und im Gebet darfst du ständig mit mir verbunden sein.“

 

Das alles ist damit gemeint: Wir taufen ein Kind „auf den Namen“ des dreieinigen Gottes. Wir stellen es in den Wirkungsbereich der Liebe Gottes.

 

Das nimmt Ihnen die Verantwortung als Eltern nicht ab. Das macht Sie als Eltern nicht arbeitslos. Aber ich finde, es ist ein gutes Gefühl, zu wissen: Gott gehört jetzt auch zu den Erziehungs­berechtigten. Auch er über­nimmt Verantwortung für dieses Kind. Und er kann unser Kind auch dann noch begleiten, wenn wir es als Eltern eines Tages nicht mehr tun können. Bei der Taufe stellen wir ein Kind in den Wir­kungsbereich Gottes.

 

Dazu ist mir folgender Vergleich eingefallen: Wir waren am letzten Wochenende in Basel in einer Ausstellung. Urlauber in der Schweiz wissen, dass die Schweizer bei der Nutzung des Internets etwas spezielle Gepflogenheiten haben: Man kommt als Gast in der Schweiz nur dann ins Internet, wenn man einen gebührenpflichtigen Zugang kauft. Der Handy-Vertrag von zuhause nützt einem gar nichts. 

 

Nun gab es in jenem Museum allerdings freies WLAN für alle Gäste. Auch für die Nicht-Schweitzer. Ich habe das dann gleich in Anspruch genommen: Ich wollte zu einem bestimmten Bild noch ein paar weiterführende Informationen. Mit WLAN kein Problem: Ich las im Internet eine ausführliche Interpretation zu dem Gemälde. Und gleichzeitig stand ich vor diesem Gemälde und konnte es in echt auf mich wirken lassen.


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Quelle: Pixabay

 

Nachmittags machten wir dann noch einen Ausflug auf einen kleinen Hügel in der Nähe Basel: Es war wunderschönes Wetter. Man hatte Fernsicht bis zu den Berner Alpen. Aber kein Internet. Ich wollte eine Kleinigkeit nachschauen. Aber das Handy blieb tot: Keine Internet-Verbindung.

 

Daran habe ich mich bei der Vorbereitung dieses Gottes­dienstes erinnert: Wir sagten schon: Bei der Taufe werden wir in den Wirkungsbereich Gottes gestellt. Und das heißt: Durch die Taufe haben wir freies WLAN zu Gott. Wir können im Gebet mit ihm reden. Wir dürfen ihn um seine Kraft bitten. Wir können ihn um seinen Rat fragen. Freies WLAN zu Gott.

 

Allerdings musste ich mich in dem besagten Museum in Basel erst einmal ins freie WLAN einloggen. Ich weiß nicht mehr, ob ich dazu meinen Namen angeben musste. Auf jeden Fall musste ich einen Button drücken, ob ich dieses Netzwerk benutzen möchte und ob ich die Benutzungs­bedingungen akzeptiere. Erst dann konnte ich das Internet in den Räumen des Museums benutzen.

 

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                                           Quelle: Adobe Stock

 

Unsere Handys oder Smartphones erkennen ja immer sofort, ob es in der Umgebung gerade ein Netzwerk gibt. Das wird einem automatisch angezeigt: Netzwerke vorhanden. Die Verbindung kommt aber erst dann zustande, wenn ich diesen Button anklicke: „Anmelden“. Oder: „Verbindung herstellen“.

 

Und auch das ist bei der Taufe ein ganz entscheidender Punkt: Zwar wird bereits ein kleines Baby durch die Taufe in den Wirkungs­bereich der Liebe Gottes gestellt. Aber ob es später davon Gebrauch macht, das ist eine andere Frage.

 

Sie sollen heute als Eltern und Paten zwar versprechen, dass Sie alles tun, was in Ihrer Macht steht, um Ihren Kindern den Glauben lieb zu machen und den Glauben mit ihnen einzuüben. Das kann man als Eltern und Paten versprechen. Aber ob unsere Kinder später selber auf diesen Button drücken: „Verbindung herstellen“, das haben wir nicht in der Hand. Diese Ent­scheidung kann jeder von uns nur ganz persönlich treffen.

 

Und damit wird auch deutlich, dass man nur einmal im Leben getauft werden kann: Denn wenn man einmal in den Wirkungs­bereich der Liebe Gottes gestellt wurde, muss man das nicht wiederholen. Gottes Liebe hört niemals auf. Sein Netzwerk ist jederzeit offen für uns.

 

Und selbst wenn man jahrelang diesen entscheidenden „Button“ nicht gedrückt hat, kann man das jederzeit nachholen. Die Taufe muss man dazu nicht wiederholen: Denn Gottes Angebot, Gottes Einladung bleibt ein Leben lang bestehen. Amen.


Predigt über 1. Korinther 13


„Die Liebe hört niemals auf“: Liebe Gemeinde, ich möchte diesen Gedanken von der Tauf­ansprache aufgreifen und noch ein Stück vertiefen. Der Vers stammt ja aus einem der schönsten Kapitel in der Bibel: aus dem sogenannten „Hohen Lied der Liebe“. Es wird oft bei kirchlichen Trauungen vorgelesen. Paulus schreibt:

 

4 Die Liebe ist langmütig und freundlich … 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtig­keit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

 

8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophe­tisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.

 

12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

 

Der Apostel Paulus schlägt hier einen ganz weiten Bogen bis in die Welt Gottes am Ende der Zeiten. Und da wird ihm bewusst: Vieles wird aufhören, was jetzt für uns noch wichtig ist. Aber die Liebe wird niemals aufhören.

 

Das prophetische Reden wird in der neuen Welt Gottes aufhören. Ist ja auch klar: Vorhersagen über die Zukunft sind dann nicht mehr wichtig. Denn wir sind am Ziel der Zeit. Aber die Liebe wird niemals aufhören.

 

Auch die Zungenrede wird in der neuen Welt Gottes aufhören: Das ist eine bestimmte Form des meditativen Betens. Im Himmel bei Gott wird das nicht mehr wichtig sein. Aber die Liebe wird niemals aufhören.

 

Und die Theologen werden im Himmel einmal arbeitslos sein: Denn dann müssen wir uns nicht mehr den Kopf zerbrechen über Gott und die Bibel und die Rätsel dieser Welt. In der Begegnung mit Gott werden alle Fragen beantwortet sein. Aber solange wir auf dieser Welt leben, wird auch unsere Erkenntnis über Gott Stückwerk bleiben.

 

Die Spiegel in den Badezimmern der dama­ligen Zeit waren nicht so klar wie unsere Spiegel heute: Da konnte man oft nur schemenhaft etwas erkennen. Also kein Vergleich mit den modernen Spiegeln, die wir im Baumarkt kaufen können.

 

Wenn der Apostel Paulus damals morgens beim Rasieren in den Spiegel geschaut hat, hat er nur ein undeutliches Bild gesehen. Vielleicht konnte er die einzelnen Bartstoppeln gar nicht richtig erkennen.

 

Damit vergleicht er nun sein Wissen über Gott: Gott hat in der Bibel zwar manches offenbart. Wir können manches über Gott wissen. Aber dieses Wissen von Gott bleibt doch unscharf und unvollkommen.

 

Aber am Ende der Zeiten wird auch das aufhören, wenn wir einmal bei Gott im Himmel sein werden. In der Übersetzung „Hoffnung für alle“ ist dieser Vers so übersetzt: „Jetzt sehen wir nur ein undeutliches Bild wie in einem trüben Spiegel. Einmal aber werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt.“ 

 

Alles dieses Nachdenken über Gott, auch die theologischen Auseinandersetzungen, wer nun genau recht hat und wer nicht: all das wird eines Tages in der Welt Gottes nicht mehr wichtig sein. Aber die Liebe wird niemals aufhören.

 

Auch von „Glaube, Hoffnung und Liebe“ wird am Ende nur die Liebe bleiben. Ist ja klar: Die Hoffnung brauchen wir nur, solange wir auf die Erfüllung warten. Im Himmel brauchen wir nichts mehr zu hoffen: Da sind wir am Ziel unserer Hoffnung.

 

Und selbst der Glaube wird einmal aufhören: Solange wir auf dieser Welt sind, vertrauen wir auf Gott, obwohl wir ihn nicht sehen können. Wir vertrauen seinem Wort, obwohl wir keine Beweise haben. Wir vertrauen auf Dinge, die man nicht mit den Augen sehen kann.

 

Auch das wird einmal aufhören, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen dürfen. Dann werden wir in ewiger Liebe mit Gott verbunden sein. Und diese Liebe wird niemals enden.

Das ist also der Zusammenhang des Taufspruchs: Am Ende der Zeiten in der Welt Gottes wird vieles aufhören, was jetzt noch wichtig ist. Aber die Liebe wird niemals aufhören.

 

Und jetzt komme ich noch einmal auf den Schutzraum zurück, in den wir durch die Taufe gestellt werden – auf diesen Wirkungsbereich der Liebe Gottes: Unsere Liebesbeziehung zu Gott, die wir im Vertrauen auf Gott jetzt schon pflegen, die wird niemals aufhören. Sie wird sogar den Tod überdauern. In alle Ewigkeit wird uns nichts von dieser Liebe trennen können.

 

Ich finde: Das ist eine atemberaubende Perspektive: Die Liebe Gottes hört niemals auf. Und wenn wir im Glauben diesen „Button“ gedrückt haben: „Ja, ich möchte zu Gott gehören!“ – dann dürfen wir gewiss sein: Mit diesem Gott darf ich in alle Ewigkeit verbunden sein. Ein grandioser Ausblick! –

 

Doch nun müssen wir diesen Vers noch etwas genauer unter die Lupe nehmen: „Die Liebe hört niemals auf“. Gilt das auch für die Beziehung von Menschen, dass ihre Liebe niemals aufhört?

 

Nun, man kann sich das wünschen: Ich nehme an, bei der Hochzeit sind vermutlich alle Paare davon überzeugt: „Unsere Liebe wird niemals enden!“ Ein Blick auf die hohe Scheidungsrate lehrt uns allerdings etwas anderes.

 

Und im Verhältnis von Geschwistern zuein­ander oder im Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern ist es ja nicht anders: Man wünscht es sich zwar, dass die Liebe niemals endet. Die Wirklichkeit spricht leider eine andere Sprache.

 

Was machen wir dann mit diesem schönen Taufspruch: „Die Liebe hört niemals auf“? 

 

In einem Podcast hat neulich eine junge Frau davon erzählt, dass sie eine herzliche Liebe von ihrer Mutter nie wirklich erlebt hat. Ihr Bruder dagegen sei immer der Liebling der Mutter gewesen: Er wurde verwöhnt. Er wurde gelobt. Er wurde verehrt und angehimmelt von seiner Mutter.

 

Aber sie als Tochter habe diese Liebe nie zu spüren bekommen. Sie habe sich nie wirklich gesehen gefühlt von ihrer Mutter. Sie habe nie zu ihr gesagt: „Du siehst richtig hübsch aus!“ Und wenn sie weinen musste, habe sie bloß gesagt: „Komm, stell dich nicht so an!“ Als diese junge Frau später den Glauben an Gott und an Jesus Christus kennenlernte, habe sie zum ersten Mal gespürt, was Liebe wirklich ist. Was bedingungslose Liebe ist. Von ihrer Mutter hat sie diese Liebe leider nie gespürt.

 

Noch eine Geschichte: Vor kurzem erzählte mir eine 90-jährige Frau von einem Erlebnis in ihrer Kindheit: Sie wuchs bei Pflegeeltern auf, weil diese keine Kinder bekommen konnten. Später bekam das Ehepaar dann doch noch eigene Kinder.

 

Die Eltern seien zwar bemüht gewesen, ihr auch weiterhin ihre ganze Liebe zu zeigen. Aber an eine Szene konnte sich die Neunzig­jährige auch im hohen Alter noch erinnern: Bei einem Familienfest habe sich ihre jüngere Schwester als Sechs- oder Siebenjährige auf einen Stuhl gestellt und gesagt: „Ich bin die Tochter meiner Eltern. Die dort haben wir nur gekauft.“

 

Der Schmerz über diese Worte hat sich ihr ein Leben lang eingebrannt. Es hat mir richtig leidgetan. Eigentlich hätte ihre Mutter in jener Szene intervenieren und die Aussage der kleinen Stiefschwester korrigieren müssen. Nach der Erinnerung dieser Frau hat die Mutter das aber leider nicht getan. Und der Schmerz hat sie ein Leben lang begleitet.

 

Und noch ein letztes Beispiel: Schon vor längerer Zeit erzählte mir eine Frau davon, dass sie in ihrer Kindheit immer wieder sexuellen Übergriffen von Familienange­hörigen ausgesetzt war. Ihre Mutter hatte das vermutlich mitbekommen, aber nichts getan. Und als das Mädchen ihre Mutter einmal gezielt darauf angesprochen und um Hilfe angefleht habe, war die Antwort lediglich: „Wir Frauen müssen das aushalten.“

 

Ich will Ihnen jetzt nicht noch mehr solche „Horrorgeschichten“ zumuten. Aber eines ist wohl deutlich geworden: Für uns Menschen gilt dieser Vers mit der nie endenden Liebe nicht immer: Die Liebe zwischen Menschen kann manchmal sogar ins Gegenteil umschlagen.

 

Keine Frage: Wir sollen uns um diese Liebe bemühen. Und wir dürfen uns darüber freuen, wenn wir mit unserem Ehepartner auch im hohen Alter noch in einer herzlichen Liebe verbunden sind. Das ist etwas Wunderschönes und ein ganz besonderes Geschenk, wenn die Liebe ein Leben lang anhält. Aber eine Garantie dafür haben wir nicht: Der zwischen­menschliche Liebe geht leider oft genug die Luft aus.

 

Die Frage ist, wie wir damit umgehen sollen. Die Frage ist, ob man denn gar nichts dagegen tun kann?

 

Dazu wollen wir zum Schluss einen Blick auf das Kreuz Jesu werfen: Wir stehen ja mitten in der Passionszeit. In der kommenden Woche möchten wir dem Leidensweg Jesu nach­denken und nachspüren.

 


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Matthias Grünewald: Isenheimer Altar

 

Und das hat einen Grund: Denn am Kreuz Jesu erkennen wir Gottes Liebe in unüber­bietbarer Weise. Als Christen glauben wir ja, dass die Kreuzigung Jesu nicht nur ein tragischer Zwischenfall war. Jesus hat damals nicht einfach nur Pech gehabt. Als Christen glauben wir, dass Jesus am Kreuz für die Schuld der ganzen Welt gestorben ist.

 

Das ist die tiefste Bedeutung des Todes Jesu: Der Sohn Gottes opfert sich aus Liebe für die Schuld der Menschen. Wir müssen nicht selber dafür büßen, was wir im Leben verbockt haben. Wir müssen nicht selber Dinge wieder­gutmachen: Oft genug kann man es ohnehin nicht. Durch den Tod seines Sohnes bietet Gott uns die Vergebung an.

 

Und nun sehen wir eine noch tiefere Dimen­sion des Taufspruchs: „Gottes Liebe hört niemals auf“: Gott gab diese Welt nicht verloren. Er opferte sich selbst in seinem Sohn, um den Bann des Bösen zu brechen.

 

Seither kann keiner mehr sagen: „Na ja, ist ja alles schön und gut mit diesem Gott und mit seiner Liebe. Große Worte schwingen kann jeder.“ So kann man jetzt nicht mehr reden. Denn am Kreuz Jesu sehen wir Gottes Liebe in ihrer tiefsten Dimension. Am Kreuz hat Gott gezeigt, wozu Liebe fähig ist. Am Kreuz hat Gott seine Liebe in unüberbietbarer Weise unter Beweis gestellt.

 

„So sehr hat Gott diese Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn für sie hergab, damit alle, die an ihn glauben, nicht ver­loren werden, sondern das ewige Leben haben.“ So ist dieser Gedanke im Johannes­evangelium in Kapitel 3, 16 zusammengefasst.  Und jetzt schließt ich der Kreis heute Morgen: Wenn es stimmt, dass wir durch die Taufe tatsächlich in den Wirkungsbereich der Liebe Gottes gestellt wurden, dann müssen wir nur noch auf den Button „Verbinden“ klicken, um von dieser Liebe berührt zu werden.

 

Mit meinem I-Phone bekomme ich nur dann Zugang zu einem Netzwerk, wenn ich mich anmelde. Wenn die Verbindung aber hergestellt ist, fließen die Datenströme fast unbegrenzt in mein Gerät. Weil ich an das weltweite Internet angeschlossen bin.

 

Das Gleiche passiert, wenn ich mich im Glauben in das Netz der Liebe Gottes einlogge: Dann kann seine Liebe in mein Leben hineinfließen – in einer Weise vielleicht, wie ich sie bisher noch nie erlebt habe.

 

Jene junge Frau, von der ich erzählt habe, hat genau das erlebt: In der Begegnung mit Gott hat sie eine Liebe gespürt, wie nie zuvor. Verbunden mit dem Netz­werk der Liebe Gottes können wir das erleben, was Menschen uns vielleicht nicht schenken konnten: das Gefühl, ohne jede Bedingung geliebt zu sein.

 

Zugleich kann mir diese Verbindung mit dem Netzwerk der Liebe Gottes die Kraft schenken, auch solche Menschen zu lieben, die mir Mühe machen.

 

Ich wünsche Ihnen heute Morgen zwei Dinge: Ich wünsche Ihnen, dass Sie Gottes Liebe ganz tief in Ihrem Herzen spüren können, die niemals aufhören wird.

 

Und ich wünsche Ihnen, dass Sie den Akku Ihrer eigenen Liebe immer wieder an der Liebe Gottes aufladen lassen. Amen.


Fürbittengebet & Vater Unser


Herr Jesus Christus, wir denken in diesen Tagen in besonderer Weise an dein Leiden und Sterben. So lass doch vor unserem inneren Auge lebendig werden, dass du das alles auch für uns getan hast.

 

Wir wollen dich in der kommenden Woche in Gedanken begleiten auf deinem Leidensweg. Hilf uns doch, dass wir in all dem deine große Liebe entdecken: deine Liebe zu uns ganz persönlich und zu der ganzen Welt.

 

Auch heute bitten wir dich um Frieden: Bewege die Herzen derer, die die Macht haben, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Segne alle Bemühungen um Frieden. Und hilf doch, dass ein gerechter und dauerhafter Friede möglich wird.

 

Segne die Politiker in unserem Land. Hilf doch, dass nach dem Ende der Koalitionsverhand­lungen nun auch zügig eine Regierung gebildet werden kann.

 

Hilf doch, dass sich alle ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind. Mache sie bereit, eigene Interessen zurückzustellen, damit das Ganze nicht aus dem Blick gerät. 

 

Gemeinsam beten wir weiter mit den Worten Jesu: Vater Unser im Himmel …


  


Liebe Leserinnen, liebe Leser, wenn Sie diese Gedanken als hilfreich empfunden haben, können Sie den Text gerne mit Freunden oder Bekannten "teilen". Wenn Sie Fragen zum Thema haben oder ein seelsorgerliches Gespräch wünschen, dürfen Sie gerne mit mir Kontakt aufnehmen.


Gott segne Sie! Ihr Theo Breisacher, Pfarrer in Staufen und Münstertal

 

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